Die Transformation der Baubranche ist in vollem Gang. Sie folgt aber keiner Roadmap, an der sich die Beteiligten ausrichten können. Mit einem durchgängigen Daten- und Informationsmanagement schafft CRB eine stabile Grundlage für die Reise ins Ungewisse.
27.06.2022
Beat Matter*
3D-CAD-Modelle in der Cloud und Planhäuschen auf der Baustelle, in denen Papierpläne im Wind flattern. Eine Flotte von smart vernetzten Baumaschinen auf der Strassenbaustelle und Planungsbüros, die auf Kriegsfuss stehen mit der digitalen Datenautobahn. Gegensätze wie diese zeigen: Die Baubranche befindet sich in der Übergangsphase von einer Epoche in die andere.
«Das Problem, das uns heute in der Praxis die Arbeit erschwert, ist, dass die alte und die neue Bauwelt koexistieren», sagt Stéphane Braune, Geschäftsleitungsmitglied und Partner der WaltGalmarini AG. Die alten Werkzeuge, Arbeitsmodelle und Prozesse seien noch nicht weg – und die neuen noch nicht ausgereift. Und solang man als progressives Planerbüro so arbeiten müsse, dass man mit beiden Welten kompatibel bleibe, führe das zu Mehraufwänden. Etwa dann, wenn die Bauherrschaft in einem Projekt detaillierte Vorgaben zur Ausgestaltung eines 3D-Modells mache – der Bauunternehmer aber später Pläne verlange, wie er es seit Jahrzehnten gewohnt sei. Oder dann, wenn aus einem 3D-Modell eigens 2D-Pläne erstellt werden müssten, um beispielsweise einen Stahlbauer zu bedienen. Worauf dessen erster Arbeitsschritt darin bestehe, basierend auf seinen spezifischen Normen und Standards, ein neues 3D-Modell zu erstellen. «Die nicht vorhandene Durchgängigkeit von Modellen und Daten über den Planungs- und Ausführungsprozess hinweg ist ein Aspekt, der uns heute stark umtreibt», betont Braune.
Im Austausch mit Planern, Fachplanern und Ausführenden zeigt sich das Bild einer stark fragmentierten Baubranche, in der Unternehmungen aller Bereiche versuchen, Prozesse zu optimieren, indem sie digitale Potenziale nutzen und neue kollaborative Modelle der Zusammenarbeit ausprobieren. «Im Gesamtprozess aber», berichtet Ueli Schällibaum, Geschäftsleiter der Schällibaum AG, «kollidieren dann unterschiedliche Arbeitsweisen, Mentalitäten, Standards und nicht zuletzt auch Programme.» Letzteres erlebt Schällibaum sogar unter dem eigenen Firmendach: Sein Architektenteam bevorzugt eine andere CAD-Software als seine Hochbau-Ingenieure. Mit der Konsequenz, dass es nicht möglich ist, in einem gemeinsamen Projekt aus den beiden Abteilungen heraus nahtlos an einem zentralen Modell zu arbeiten. Stattdessen führt man mit stetigen Down- und Uploads von überarbeiteten Modellen just jene Arbeitsweise weiter, die man vom ewigen Hin und Her mit den Papierplänen kennt. Hadern mag Schällibaum jedoch nicht mit der Situation. «Die Branche ist noch nicht so weit, dass wir sich bietende digitale Möglichkeiten effizient und vor allem durchgängig umsetzen können. Entscheidend aber ist, dass sie sich bewegt.»
Charakteristisch für die Bewegung, in der sich die Branche befindet, ist, dass es keine Roadmap gibt, an der sich die Beteiligten ausrichten können – auch CRB nicht. Es ist eine simpel anmutende, aber zentrale Erkenntnis aus dem tiefgreifenden Evaluations- und Strategieprozess, den CRB in den vergangenen Jahren durchlaufen hat. «Aus unserer Analyse von geopolitischen, wirtschaftlichen, technologischen sowie branchenspezifischen Dynamiken wissen wir, dass in der Baubranche viel passieren wird. Wir wissen aber nicht, was in welcher Ausprägung und zu welchem Zeitpunkt passiert», fasst Michel Bohren, Vorsitzender der CRB-Geschäftsleitung, die Ausgangslage zusammen. Diese diffuse Veränderung sei eine Herausforderung für CRB, welches der Baubranche seit über 60 Jahren mit Standards und Arbeitsmitteln ein stabiles Fundament gewährleiste. Sich auf das Verwalten des Bewährten zu beschränken und einfach abzuwarten, was da komme, stelle jedoch keine zukunftsfähige Option dar, so Bohren. Stattdessen setzte CRB zu einem Sprung vorwärts an.
Getragen von allen grossen Fachverbänden, die im Vorstand vertreten sind, erarbeitete CRB eine neue Strategie, die trotz unklarer Entwicklungen aktives Handeln ermöglicht. Der 2021 verabschiedeten Strategie liegt ein Zukunftsbild der Branche zugrunde, in dem gewerkeübergreifende Kollaboration und Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken zentral sind: Mit neuen Methoden, Werkzeugen und Technologien werden Bauwerke unter Einbezug aller Anspruchsgruppen geplant und optimiert. Betrieb, Unterhalt sowie Rückbau/Recycling werden stärker gewichtet und früh in die Planung einbezogen. Überhaupt streben die Projektteams nach einer Nachhaltigkeit, die das entstehende Bauwerk bis ins Detail prägt. Basis eines so tiefgreifenden Miteinanders über alle Lebenszyklusphasen hinweg ist die Bereitschaft, Daten und Informationen, die bei einzelnen Arbeitsschritten entstehen, transparent zu teilen. Und die Fähigkeit, vorhandene Daten und Informationen aufgabenspezifisch zu selektieren, auszuwerten und weiterzuverarbeiten.
Mit diesem Zukunftsbild hat CRB ein Wirkungsfeld abgesteckt, in dem es seine Expertise als breit getragenes Unternehmen für Standardisierung und Baurationalisierung einbringen kann, unabhängig davon, welche konkreten Justierungen oder Umwälzungen in der Branche zu welchem Zeitpunkt vollzogen werden. Im Zentrum der neuen Strategie steht ein durchgängiges und standardisiertes Daten- und Informationsmanagement, mit dem die Branche über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken hinweg verlässlich, systemunabhängig und rechtssicher zusammenarbeiten kann. Hierfür schafft CRB schrittweise die nötigen Grundlagen und setzt damit den Schwerpunkt exakt dort, wo die Branche heute leidet: Bei der sukzessiven Zuschüttung von Daten- und Informationsgräben zwischen den Projektbeteiligten und den einzelnen Phasen.
Um die neue Strategie mit Kraft umzusetzen, die bewährten und etablierten Standards, Werkzeuge und Dienstleistungen aber ebenso konsequent weiterzupflegen und weiterzuentwickeln, investiert CRB in einen markanten personellen Ausbau. Mit erweiterten Kompetenzen und Kapazitäten werden aufwendige Entwicklungsprozesse angestossen und gemeinsam mit Hochschulen, Fachverbänden, Technologie- und Softwarepartnern sowie in direktem Austausch mit Unternehmungen der Branche vorangetrieben. CRB investiert damit in eine Zukunft der Baubranche, von der alle profitieren.
Aus dem Evaluations- und Strategieprozess heraus hat CRB nahtlos mit der Arbeit an Lösungen begonnen. Diese ebnen den Weg und geben einen Vorgeschmack darauf, welche Möglichkeiten sich aus einem durchgängigen, standardisierten Daten- und Informationsmanagement ergeben. Ein bereits nutzbares Beispiel dafür ist der BIM-Profil-Server. Parallel dazu laufen die Entwicklungsarbeiten am eBKP-Plugin sowie am CRB-Datenmodell Bau.
Mit dem BIM-Profil-Server präsentierte CRB im Frühling 2021 einem engeren Testkunden-Kreis die erste Version einer datenbankgestützten Lösung, um zweckdienlich mit grossen Mengen an Informationen und Informationsbedürfnissen in digitalen Bauwerksmodellen umzugehen. Die Plattform wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut Digitales Bauen der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW entwickelt. Sie ermöglicht es Beteiligten, die je nach Rolle und Projektphase Informationen brauchen oder liefern müssen, Informationsanforderungen im gemeinsamen Projekt zu beschreiben und auszutauschen. Dies mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks. Dabei werden projektspezifisch die sechs W-Fragen geklärt: Wer liefert wem welche Daten, wann, wofür und wie? So gewährleistet der BIM-Profil-Server als offene und systemunabhängige Plattform, dass in BIM-gestützten Projekten die relevanten Daten und Informationen dann am richtigen Ort zur Verfügung stehen, wenn sie zur effizienten Weiterbearbeitung des Projekts benötigt werden. Aufgrund von Nutzerrückmeldungen in der laufenden Pilotphase wird die Plattform seit der Lancierung sukzessive weiterentwickelt. Sie kann noch bis Ende Juli 2022 kostenfrei getestet werden.
Das CRB-Datenmodell Bau ist das eigentliche Herzstück des anvisierten system- und organisationsübergreifenden Daten- und Informationsmanagements. Im Sinne eines Industriedatenmodells, wie es in anderen Wirtschaftszweigen längst standardmässig eingesetzt wird, soll es eine umfassende Beschreibung des «Bauens» über Bauteile, Systeme, Leistungen und Regeln ermöglichen – und damit den Lebenszyklus des Bauwerks sowie übergeordnet die ganze Wertschöpfungskette der Bau- und Immobilienwirtschaft abbilden. Internationale Standards wie beispielsweise die «Industry Foundation Classes» (IFC) werden im Datenmodell ebenso berücksichtigt wie die nationalen Standards, beispielsweise die elementbasierten Baukostenpläne eBKP und die Inhalte der Normpositionen-Kataloge NPK. Die Kompatibilität mit den gängigen Software-Lösungen ist damit sichergestellt, der Datenaustausch über System- und Organisationsgrenzen hinweg gewährleistet. So ausgestaltet dient das Datenmodell als künftige Basis für den Informationsaustausch im digitalen Bauprozess. Die Arbeiten daran laufen bei CRB seit eineinhalb Jahren. An der Swissbau Anfang Mai gewährte CRB interessierten Besuchern erste Einblicke. «Wir konnten künftigen Anwendern anhand einer rudimentären Referenzimplementation erstmals zeigen, wie sich die Arbeit mit unserem durchgängigen standardisierten Datenmodell anfühlt, wie darin Mengen ermittelt, Kosten gemanagt und Leistungen beschrieben werden. Vor allem aber konnten wir das zeigen, worauf die Branche wirklich wartet: echte Durchgängigkeit», betont Michel Bohren.
Trotz unklarer technologischer, konjunktureller sowie auch politischgesellschaftlicher Entwicklungen setzt CRB eine ausgeprägte Vorwärtsstrategie um. CRB bekräftigt damit seine Rolle als Garant für Stan-dards und Werkzeuge, mit denen sich die Bau- und Immobilienwirtschaft effizient verständigen kann. Noch stärker als bisher spannt CRB dafür mit Hochschulen, Verbänden, Technologiepartnern sowie auch mit Anwendern zusammen, die beispielsweise als Beta-Tester frühen Zugang und direkte Mitsprache bei der Entwicklung von neuen Lösungen gewinnen. Dies aus der Überzeugung heraus, dass die Zukunft zwar offen ist, aber gestaltet werden kann. Auf die Frage, wie in der Schweiz in 10 oder 20 Jahren gebaut werde, gibt Michel Bohren unumwunden zu: «Ich habe keine Ahnung!» Vielleicht arbeite man noch Jahre auf dem heutigen Stand. Vielleicht gebe es plötzlich einen Schub und Herkömmliches werde verdrängt. Das wisse niemand. «Genau deshalb konzentrieren wir uns darauf, im engen Austausch mit all unseren Anspruchsgruppen Grundlagen zu erarbeiten und zu etablieren, mit denen die Baubranche effizient operieren kann, egal was kommt.»
*Beat Matter, ist Journalist, Texter und Fotograf. Er ist seit 15 Jahren für redaktionelle Publikationen sowie Unternehmungen der Baubranche tätig.