Ein ganz spezielles CRB-Ehrenmitglied wird 85

Heinz Joss

Im Gespräch mit Heinz Joss, Architekt SIA, langjähriger CRB-Geschäftsführer, CRB-Ehrenmitglied und passionierter Sammler.

Herr Joss, was hat Sie dazu motiviert, sich Anfang der 60er-Jahre für den Aufbau eines Instituts für Bauforschung und –entwicklung zu engagieren?

Ich arbeitete zu jener Zeit in einem renommierten Architekturbüro in Stockholm. Obwohl mir diese Tätigkeit sehr gut gefiel, hatten wir uns wegen der Kinder entschlossen, in die Schweiz zurückzukehren. Ich gab in der Bauzeitung ein winziges Inserat auf und da Anfang 1960 ein grosser Bauboom herrschte, erhielt ich zahlreiche Angebote. Die meisten kamen von Architekturbüros, mit einer Ausnahme: Es hatte sich auch ein Architekt aus Bern gemeldet, der im Auftrag des SIA jemanden suchte, der bereit war, ein Institut für Bauforschung und -entwicklung aufzubauen.

Durch meine berufliche Tätigkeit in Schweden hatte ich Kontakte zum dortigen Institut für Bauforschung, zum Institut für Baunormung sowie zu einer Organisation für behindertengerechtes Bauen. Ich wusste also, was für eine enorme Hilfe diese Institutionen für die Tätigkeit des praktizierenden Architekten darstellten, darum hat mich diese Aufgabe gereizt. Ich reiste in die Schweiz und erfuhr von Willi Althaus, so hiess dieser Architekt aus Bern, dass der BSA ein Studienbüro für die Normung und Koordinierung auf die Beine gestellt hatte und der SIA nun ebenfalls ein solches Institut aufbauen wolle. Ich antwortete, dass ich an diesem Angebot stark interessiert sei, aber die Aufgabe nur dann annehmen würde, wenn SIA und BSA zu einer Zusammenarbeit bereit wären. Als die beiden Verbände sich zwei Monate später geeinigt hatten, das Studienbüro unter dem Namen Zentralstelle für Baurationalisierung gemeinsam zu führen, nahm ich das Angebot an und trat Anfang August 1961 meine Stelle als Einmannbetrieb an der Torgasse 4 in Zürich an.

Was hat diese ersten Jahre geprägt? Was waren Ihre Aufgaben?

Die ersten beiden Projekte gingen darauf zurück, dass der erste Präsident, Prof. Jean-Pierre Vouga, auch Mitglied der Union Internationale des Architectes UIA war. Er wollte, dass sich auch die Schweiz an internationalen Projekten beteiligte: Beim ersten Projekt ging es um die systematische Erfassung aller projektierten und realisierten Bestrebungen auf dem Gebiet der Bauforschung. Auf Wunsch des Präsidenten übernahm CRB die Aufgabe, die von Instituten, Firmen oder einzelnen Architekten und Ingenieuren ausgefüllten Karten nach einem raffinierten, eigentlich für Bibliotheken gedachten Klassifizierungssystem zu ordnen. Da diese Arbeit sehr aufwendig war und sich schliesslich niemand für die Karteien interessierte, wurden sie nach einem Jahr der Landesbibliothek übergeben.

Das zweite Projekt setzte sich mit modularem Bauen auseinander. Um das zerstörte Europa möglichst schnell wieder aufzubauen, wurde im Auftrag einer Unterorganisation der UNO eine internationale Arbeitsgruppe gebildet, der alle westeuropäischen Länder sowie die Sowjetunion und Kanada angehörten. Ihr Ziel war es, die Masse der einzelnen Bauteile, die zunehmend industriell gefertigt wurden, so aufeinander abzustimmen, dass sie sich anpassungsfrei zusammenfügen liessen, z.B. Wandöffnung und industriell gefertigte Tür. CRB trat dieser Gruppe bei. Es war eine hochinteressante, schwierige Aufgabe, man versuchte, die Problematik der Toleranzen und des Spiels mathematisch in den Griff zu bekommen. Aus dieser Arbeit sind zwar verschiedene CRB-Publikationen und -Normen entstanden, aber modular bauen wollte dann doch niemand. Aufgrund der technischen Entwicklung war es schliesslich möglich, eine Tür ohne Aufwand 5 mm grösser oder kleiner herzustellen – damit war die Zielsetzung des modularen Bauens überholt.

Aus diesem internationalen Engagement ist also nicht viel geworden – wie ging es dann weiter?

Ja, das Ergebnis dieser beiden Projekte war enttäuschend und CRB musste nach neuen Tätigkeitsbereichen suchen. Eines Tages erfuhr ich, dass ein Verein in Deutschland, in dem die Bauabteilungen der Grossindustrie zusammengefasst waren, einen Baukostenplan herausgegeben hatte. Diese auf die Bauten der Grossindustrie zugeschnittene Publikation brachte mich auf die Idee, einen analogen Baukostenplan, der für den gesamten Hochbau angewendet werden konnte, zu erarbeiten. Mit dem Einverständnis des deutschen Vereins begannen mein erster Mitarbeiter und ich mithilfe von Kollegen, die in der Praxis tätig waren, mit der Erarbeitung. Nach der Fertigstellung verschickten wir einen Prospekt. Der Erfolg war so gross, dass innerhalb eines Monats drei Auflagen des BKP gedruckt werden mussten. Allerdings gab es in der Praxis dann Probleme: Das Gerücht, dass die Bauten teurer werden, wenn mit dem Baukostenplan gearbeitet wird, kam auf und hielt sich zunächst hartnäckig. Den schönsten Gegenbeweis lieferte der Anruf eines Kollegen: «Seit ich mit dem BKP arbeite, werden meine Bauten immer teurer – weil ich nichts mehr vergesse!» CRB erhielt dann die Unterstützung des Bundes, da dieser erkannt hatte, wie wertvoll es für grosse Bauherren ist, wenn jeder Bau nach dem gleichen System abgerechnet werden kann.

Könnte man den BKP als das erste Erfolgsprodukt bezeichnen?

Das könnte man auf jeden Fall so sagen, allerdings galt dies nicht in finanzieller Hinsicht. Es ging damals nur darum, die Kosten zu decken. Ungefähr zu jener Zeit stiess der Schweizerische Baumeisterverband SBV als dritter Trägerverband dazu. Und mit den ersten Vertretern der Baumeisterseite im Vorstand kam es zu einer Wende der Politik: Im Gegensatz zu den Architekten und Ingenieuren haben die Unternehmer kaufmännischer gedacht: Ab diesem Zeitpunkt ging es nicht mehr nur um Kostendeckung, sondern jetzt wollte man auch einen Gewinn erzielen.

Für die weitere Entwicklung war es also  sehr wichtig, dass der SBV neben dem BSA und dem SIA als dritter Trägerverband hinzukam?

Der damalige Präsident des SBV, Willy Messmer, hat die Führung von CRB sehr positiv beeinflusst und CRB stark geholfen, in der Schweizer Baubranche Anerkennung zu finden. Von dieser Seite kam auch die Idee, einen Normpositionen-Katalog zu machen. Die Baumeister litten darunter, dass jeder Architekt und jeder Bauingenieur die gleichen Arbeiten unterschiedlich ausschrieb. Sie mussten ständig aufpassen, nicht in irgendeine Falle zu tappen, was sie durch das Einsetzen höherer Preise kompensierten. So entstand der Wunsch nach Normpositionen. Mein Mitarbeiter und ich begannen – mithilfe verschiedener Fachleute – die drei ersten Kapitel zu erarbeiten. Die Hefte wurden zusammen mit einer Anleitung herausgegeben und mit einem Formular, auf das man die Nummern und Masse übertragen konnte. Für die Erarbeitung weiterer Arbeitsgattungen wurden dann Arbeitsgruppen mit Fachleuten aus der Praxis gebildet, was nicht nur die Qualität der Produkte positiv beeinflusste, sondern auch dazu beigetragen hat, Anerkennung in der Praxis zu erreichen. Auf Anregung eines ehemaligen Vorstandsmitglieds, das vom Bundesrat zum Delegierten für Wohnungsbau ernannt wurde, erhielt CRB finanzielle Unterstützung vom Bund und konnte so gleichzeitig neue Kapitel erarbeiten und alte revidieren. Ausserdem erklärte der Bund die Anwendung des NPK für seine Bauten obligatorisch und wie bereits beim BKP folgten verschiedene Kantone. Dies führte zu einem noch bescheidenen Durchbruch, den grossen brachte dann die breite Einführung der EDV.

Sofern es Ihre Gesundheit zulässt, nehmen Sie als Ehrenmitglied auch heute noch an der jährlichen CRB-Generalversammlung teil. Wie nehmen Sie CRB heute wahr?

Dieser jährliche Kontakt ist mir ausserordentlich wichtig; wenn man ein Institut 27 Jahre lang aufgebaut hat, dann ist das fast wie ein Kind, das man grossgezogen hat. Als Ehrenmitglied werde ich jedes Jahr zur GV eingeladen und so lange ich kann, komme ich gerne. Besonders freut es mich, dass CRB nicht auf dem Stand von 1988 stehengeblieben ist, sondern sich weiterentwickelt, auch wenn ich nicht mehr alles verstehe.

Neben Ihrem unermüdlichen Einsatz für eine bessere Verständigung im Bauwesen gibt es noch eine weitere wichtige Facette Ihrer Persönlichkeit, die Sie umtreibt: eine grosse Sammelleidenschaft. Sie hat u.a. dazu geführt, dass Sie heute ein international anerkannter Rechenschiebersammler sind. Wie sind Sie dazu gekommen, sich ausgerechnet mit dem Rechenschieber und seiner Geschichte zu beschäftigen?

Ich war schon immer ein Sammlertyp, zuerst waren es Briefmarken, dann habe ich mich für Uhren interessiert. Zu den Rechenschiebern bin ich durch einen Zufall gekommen: Seit meiner Schulzeit habe ich immer den gleichen Rechenschieber benutzt und bin davon ausgegangen, dass alle Rechenschieber so aussehen wie meiner. Eines Tages habe ich dann auf einem Flohmarkt einen entdeckt, der ganz anders aussah als meiner. Um herauszufinden, warum er anders aussieht und wie er funktioniert, habe ich ihn für zwei Franken gekauft. Kurze Zeit später erschien in der Zeitschrift «Sammeln» ein Artikel über das Sammeln von Rechenschiebern. Er hat mir die Augen geöffnet, was für ein unglaublich vielfältiges Gebiet diese über 300 Jahre weit verbreiteten Rechengeräte darstellen.

Was findet man so alles in Ihrer Privatsammlung? Was sind die Highlights?

Meine Sammlung umfasst heute um die 3000 Objekte, darunter natürlich viele Doubletten. Es gibt Rechenstäbe, Rechenscheiben, Rechenwalzen, Rechenzylinder und -uhren. Als «Rosinen» würde ich einen Rechenstab mit einer 1-m-Skala von Nestler, der wahrscheinlich aus den 1920er-Jahren stammt, bezeichnen oder eine Rechenwalze von Loga mit einer Skalenlänge von 24 m. Wegen ihrer Rechengenauigkeit wurde sie in Banken, Börsen und Finanzabteilungen von Grossbetrieben eingesetzt.