Als Direktor des Schweizerischen Baumeisterverbands ist Bernhard Salzmann interessiert an einer zukunftsfähigen Branche. Im Interview spricht er über die Bemühungen, Fachkräfte zu gewinnen, die Chancen von Projektallianzen und die Herausforderungen der Digitalisierung.
Interview: Michael Milz | 28.03.2025
Bernhard Salzmann, wie geht der SBV mit dem Thema Zukunftsbaustelle Arbeit und dem Fachkräftemangel um?
Dem Fachkräftemangel begegnen wir zum einen mit Rahmenbedingungen: Wir bezahlen die höchsten gewerblichen Löhne und bieten eine Frührente mit 60 Jahren. Weil in der Ausbildung, also der beruflichen Grundbildung wie der höheren Berufsbildung, die Kompetenzen vermittelt werden sollen, die heute auf der Baustelle gefordert sind, reformieren wir in einem grossen Projekt aber auch die Berufsbilder: Diese Berufe sollen so attraktiv sein, dass man in ihnen Karriere machen möchte! Die Digitalisierung hat die Arbeit auf dem Bau verändert. Durch den Einsatz digitaler Hilfsmittel und neuer Prozesse ist die Welt auf der Baustelle eine völlig andere als noch vor zehn oder zwanzig Jahren.
Das Bauhauptgewerbe wird zudem auch für Frauen interessant. Das alles ermöglicht uns, eine erweiterte Zielgruppe für die Branche anzusprechen.
Spüren Sie schon Effekte dieser Bemühungen?
Sehr gut messbar ist beispielsweise die Entwicklung der Lernendenzahlen: Letztes Jahr hatten wir seit Längerem wieder einen Anstieg, was natürlich erfreulich ist. Auf längere Sicht und angesichts der demografischen Entwicklung wird der Fachkräftemangel im Bauhauptgewerbe aber ein Thema bleiben. Wir gehen von einer anhaltenden Nachfrage nach Aufträgen aus – Stichwort Wohnungsmangel und Mobilitäts- und Infrastrukturprojekte. Gleichzeitig nimmt aber die Anzahl potenzieller Fachkräfte ab. Umso wichtiger, dass wir uns aktiv um diese bemühen!
Seit August 2024 gibt es ein SIA-Merkblatt zu Projektallianzen. Was genau sind Projektallianzen?
Eine Projektallianz ist eine Form der Kollaboration, in der ein Projekt nicht mehr kaskadenartig Phase für Phase abgewickelt wird, sondern die wichtigsten Unternehmen werden von Beginn an in die Planung miteinbezogen. Das wirkt sich unter anderem auch auf den Prozessschritt «Ausschreibungen» aus. In einer Projektallianz arbeiten Planende, Unternehmer, aber auch die Bauherrschaft als Allianzpartner zusammen. Gemeinsam definieren sie die Projektziele, erarbeiten die Risikoanalyse und einigen sich auf Massnahmen. Zudem erarbeiten sie ein transparentes Vergütungssystem und dann den gemeinsamen Mehrparteienvertrag. Die Umsetzung basiert dabei auf einem Bonus-Malus-System: Wenn es gut läuft, profitieren alle Beteiligten, läuft es nicht so rund, dann tragen alle den Verlust gemeinsam.
Wann eignen sich Projektallianzen, wann nicht?
Projektallianzen eignen sich dann, wenn der Bauherr bereit ist, sich in einer anderen, direkteren Form an der Planung und Umsetzung zu beteiligen und klare Projektziele einbringen kann. Dies erfordert aber auch die Bereitschaft, sich tiefer mit dem Projekt auseinanderzusetzen. Es wird auch weiterhin Projekte geben, die herkömmlich ausgeschrieben und umgesetzt werden. Es ist also nicht so, dass wir nur noch mit Projektallianzen rechnen. Die Grösse des Projekts als Kriterium wird dabei aber häufig überbewertet, weil man annimmt, dass nur grosse Projekte für eine Projektallianz infrage kommen. Viel eher gilt: Je komplexer ein Projekt, umso mehr kann man von diesen Zusammenarbeitsformen profitieren. Es gibt auch kleinere Projekte, in denen sich eine Projektallianz bewährt.
Wie verändern Projektallianzen die Kultur auf der Baustelle?
Die Art, wie heute ausgeschrieben und gebaut wird, ist oft mit Konfrontationen und Streitigkeiten verbunden. Das sind Rückmeldungen, die wir häufig hören. Diese Reibereien machen niemanden glücklich – die Neue Zusammenarbeitsformen wie Allianzmodelle machen auch die Berufe und die Branche wieder attraktiver.
Was sind die grössten Herausforderungen in der Bauwirtschaft in Bezug auf die digitale Transformation und BIM und wie begegnet ihnen der SBV?
Die digitale Transformation ist eine Herausforderung – insbesondere für viele kleine Bauunternehmen, die über weniger finanzielle und personelle Ressourcen verfügen.
Sie bietet jedoch unzählige Chancen. Es liegt an uns, hierzu Hand zu bieten und gemeinsam mit CRB und den Partnerorganisationen praxistaugliche Instrumente zur Verfügung zu stellen, die im Berufsalltag möglichst einfach angewendet werden können. Der Normpositionen-Katalog NPK bildet die Grundlage für standardisierte und rechtssichere Leistungsbeschreibungen. Das vereinfacht das Ausschreibungsverfahren für den Baumeister, und für die Bauherren ist sichergestellt, dass alle offerierenden Unternehmer über die gleichen Informationen verfügen und die von ihnen gelieferten Preise vergleichbar sind. Zudem dient das Leistungsverzeichnis während der Realisierung zur Kostenkontrolle und Rechnungsstellung. Der NPK ist ein hervorragendes Instrument, auf das die Baubranche in der Schweiz stolz sein kann. Im Zusammenhang mit der BIM-Methode stellt uns dies aber derzeit vor Herausforderungen: Die Modellierung eines Bauwerks bietet die Chance, dass die meisten Attribute für ein Bauteil im Modell beschrieben werden können. Es gibt jedoch Leistungen, die nur mit unverhältnismässigem Mehraufwand modelliert werden können. Dann sind nach wie vor separate Ausschreibungen notwendig.
Gilt das auch mit Blick auf Projektallianzen?
Die kollaborative Zusammenarbeit in einer Projektallianz bedingt anderweitige Werkzeuge: Während der NPK bei herkömmlichen Ausschreibungen unerlässlich ist, fällt in der Projektallianz die Submission nach Abschluss der Planungsphase weg, da die Akteure die Gesamtprojektkosten bereits im Vorfeld zusammen vereinbart haben. Projektallianzen bedingen hingegen eine ständige Kontrolle der Projektkosten. Eine Verknüpfung des BIM-Modells mit dem NPK steht für ein Allianzprojekt nicht im Vordergrund. Hier kann die Bauteilkalkulation direkt aus dem BIM-Modell der richtige Ansatz sein.
Wo und wie kann sich CRB hier am besten einbringen?
Dort, wo es darum geht im Zusammenhang mit der digitalen Transformation praxistaugliche Normen und Instrumente zur Verfügung zu stellen, auch mit Blick auf die neuen Modelle wie das Allianzmodell. Es ist eine wichtige Aufgabe von CRB, die notwendigen Grundlagen für die Bauteilkalkulation zu erarbeiten. Für konventionelle Ausschreibungen mit der BIM-Methode sind zwei Methoden denkbar: Die Bauteilkalkulation und ein NPK, der so parametrisiert ist, dass die einzelnen Positionen den modellierten und mit allen Attributen versehenen Bauteilen zugeordnet werden können. Der NPK lässt sich so parametrieren, dass der Umfang extrem verkleinert, die effiziente Maschinenlesbarkeit garantiert und die Rechtssicherheit erhöht wird.
Was können CRB und SBV gemeinsam unternehmen, um die digitale Transformation in der Branche bestmöglich zu unterstützen?
CRB muss zusammen mit dem SIA und dem Baumeisterverband – ich sehe das durchaus als Verbundaufgabe – Grundlagen wie Bauteilkalkulationen zur Verfügung stellen. Das steht viel stärker im Vordergrund als bei den bisherigen konventionellen Ausschreibungen. Eine wichtige Aufgabe von CRB ist, die notwendigen Grundlagen für die Bauteilkalkulation zu erarbeiten. Wir bekommen aus der Praxis Rückmeldungen, dass dort Hilfsmittel und eine Standardisierung gefragt sind. Da bin ich auch froh, dass wir mit CRB Projekte in diese Richtung aufgleisen konnten – Projekte, von denen ich mir sehr viel verspreche.
Seit den Anfängen von CRB steht der SBV ideell hinter dessen Bestrebungen. Welche Bedeutung hat CRB heute für den SBV und die Schweizer Bauwirtschaft?
Drei Stichworte sind aus meiner Sicht zentral: «praxistaugliche Instrumente», «heute» und «mit Mehrwert». «Praxistauglich» muss sich an der jetzigen Welt orientieren. Wir kommen in die digitale Transformation. Wir wollen aufgrund der neuen Anforderungen im Bau mit den neuen Allianzmodellen arbeiten können, wir sollen mit der BIM-Methode arbeiten können – und dafür haben wir die Instrumente noch nicht. Mit «heute» meine ich, dass die Anforderungen jetzt kommen: Die Bauherren beginnen damit, unterschiedliche Instrumente oder Standards zu entwickeln, und deshalb ist eine Standardisierung, in der CRB die Schlüsselrolle spielt, wichtig – eine eigentliche Kernaufgabe von CRB. Und schliesslich der «Mehrwert», den CRB mit dem NPK in der Schweizer Bauwirtschaft geschaffen hat und auch in der digitalen Transformation mitnehmen kann.
Sie engagieren sich seit 2023 im Vorstand und Ausschuss von CRB. Was sind dort Ihre Prioritäten?
Die Projekte von CRB auf die Praxistauglichkeit und auf den Nutzen der Unternehmen zu bringen. Ich sehe meine Rolle sehr stark als Relais zwischen CRB und der Praxis mit ihren Bedürfnissen, die an mich herangetragen werden. Und diese Zusammenarbeit mit CRB macht mir sehr viel Freude, weil ich auch Schritte sehe, wie wir in diese Richtung gehen und diese Punkte in der strategischen Ausrichtung aufnehmen.