Nachhaltig bauen für die Zukunft

Die Bau- und Immobilienwirtschaft hinterlässt einen riesigen ökologischen Fussabdruck. Entsprechend gross ist aber auch der Hebel, wenn es um nachhaltiges Bauen geht. Um auf lange Sicht nachhaltig zu bauen, führt kein Weg an der Kreislaufwirtschaft vorbei.

Michael Milz | 30.09.2024

«Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Option. Es ist eine Notwendigkeit.» Das dem ehemaligen südkoreanischen UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon zugeschriebene Zitat war noch nie so aktuell. Die zunehmend problematische globale Situation rund um Klima und Rohstoffe ist der Elefant im Raum, der nicht mehr ignoriert werden kann.

Mittendrin steht die Bau- und Immobilienwirtschaft, die einen riesigen ökologischen Fussabdruck hinterlässt: Wie der Schweizerische Baumeisterverband SBV bereits im April 2021 in einer Medienmitteilung schrieb, generiert sie über Aushub und Rückbaumaterial rund 84 Prozent des Schweizer Abfalls. Das klingt nicht nur nach viel, das ist viel – müsste aber auch zuversichtlich stimmen: Denn der Hebel, um nachhaltig zu wirtschaften, ist entsprechend gross.

 

Verschiedene Aspekte von Nachhaltigkeit

Doch was bedeutet Nachhaltigkeit im Bau? Jörg Watter ist Architekt, Baubiologe und Gründer von Oikos & Partner GmbH, zudem war er von 2008 bis 2021 Präsident des Schweizer Fachverbandes für gesundes und nachhaltiges Bauen und Leben Baubioswiss. Er fasst es so zusammen: «Nachhaltigkeit umfasst nicht nur ökologische, sondern auch soziale und wirtschaftliche Aspekte. Bewohnerinnen und Bewohner eines Gebäudes sollen sich wohlfühlen und Gemeinschaften bilden können. Nachhaltigkeit mit ökonomischem Fokus bedeutet, dass Gebäude bezahlbar sind und langfristig funktionieren. Und bei der ökologischen Betrachtung stehen schliesslich vor allem Energie und Materialien eines Gebäudes im Zentrum.»

Auf die Frage, ob wir bezüglich nachhaltigem Bauen auf dem richtigen Weg sind, sagt Watter: «Nein, leider nicht. Wir sind  eindeutig auf dem Weg, die Klimaziele von Paris nicht zu erreichen.» Als eines der Probleme ortet er die alleinige Fokussierung auf die Energiefrage. «Wir rüsten jetzt die ganzen Öl- und Gasheizungen um, was schön ist, aber bei den Materialien sind wir eigentlich immer noch auf dem gleichen Weg wie vor 30 oder 40 Jahren. Da geschieht viel zu wenig und wir bewegen uns in Richtung Rohstoffknappheit.»

Welche Handlungsmöglichkeiten Baufachleuten für die konkrete Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen zur Verfügung stehen, zeigt Jörg Watter im CRB-Weiterbildungskurs «Nachhaltig Handeln im Bau- und Immobiliensektor» (vgl. Kasten «Weiterbildungen zum Thema Nachhaltigkeit»).

Zirkulär bauen und Kreisläufe schliessen

Wenig überraschend ist denn auch die Kreislaufwirtschaft eines der zentralen Konzepte von Nachhaltigkeit – auch und gerade im Bau. Kreislaufwirtschaft beschreibt ein regeneratives System; d. h. der Verbrauch von Ressourcen, der Ausstoss von Emissionen und die Produktion von Abfall sollen verringert werden, indem Kreisläufe von Material und Energie idealerweise geschlossen werden – dies im Gegensatz zu einem linearen Wirtschaftssystem, in dem Rohstoffe abgebaut, Produkte hergestellt, konsumiert und dann weggeworfen werden. Mit Blick auf die Bauwirtschaft steht das zirkuläre Bauen im Fokus.

Laut dem Verein ecobau, dessen Zweck die breite Verankerung von ökologischem, kreislauffähigem und gesundem Bauen ist, bedeutet zirkuläres Bauen einerseits, Gebäude so zu planen, dass sie möglichst einfach an veränderte Anforderungen angepasst und somit lange genutzt werden könnten. Andererseits solle es möglich sein, Bauteile wiederzuverwenden (Re-Use) und Baumaterialien zu rezyklieren.

Um das in der Praxis zu erreichen, stellt ecobau eine ganze Reihe von Hilfsmitteln zur Verfügung. So unterstützt der ecoBKP beispielsweise Planerinnen und Architekten bei der Auswahl von kreislauffähigen Materialien oder Bauprozessen, und ecoDevis vereinfachen die Ausschreibung mit Empfehlungen zu ökologisch vorteilhaften Produkten und Leistungen. Dazu kommen weitere Instrumente und Labels wie der Zusatz ECO zu den Minergie-Baustandards oder der Leitfaden «Potenzialanalyse Zirkuläres Bauen», der bei Sanierung, Erneuerung und Rückbau das Wiederverwendungspotenzial von Bauteilen erhebt.

 

CRB und Nachhaltigkeit

In seiner Funktion als Standardisierer der Bau- und Immobilienbranche engagiert sich auch CRB für verschiedene Aspekte rund um das nachhaltige Bauen – so etwa in Zusammenarbeit mit ecobau und den oben genannten ecoDevis (vgl. Bulletin 3-23, S. 3ff.). ecoDevis sind innerhalb des Normpositionen-Katalogs NPK hinterlegt sowie in den gebräuchlichen Bausoftware-Programmen integriert. Sie ermöglichen eine ökologische Wahl von Leistungen während der Ausschreibung.

2025 wird es bei diesen Vorgaben für die ökologische und gesunde Wahl von Leistungen in der Ausschreibung diverse Neuerungen geben. So wird künftig der Indikator CO2 für Herstellung und Entsorgung mitbewertet, es gibt Anpassungen in der Nutzungsphase, und neu werden Produkte oder Materialien nur noch dann die beste Bewertung (eco1) erhalten, wenn sie rezyklierbar, wiederverwendbar oder aus nachwachsenden Rohstoffen sind.

Weiter engagiert sich CRB als Mitgründer von «Circular Construction Catalyst 2033» (C33), der neuen, Anfang 2024 gegründeten Schweizer Koordinationsstelle für zirkuläres Bauen. Ziel des Vereins ist es, in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein die Prinzipien einer Kreislaufwirtschaft im Bau-, Infrastruktur- und Immobiliensektor über die professionelle und transparente Koordination von Aktivitäten Dritter zu fördern und zirkuläres Bauen und Bewirtschaften im Hoch- und Tiefbau in der Schweiz bis spätestens 2033 als das «neue Normal» zu etablieren.

Ein Hilfsmittel ist da der neue Leitfaden «Zirkularität messbar machen» von C33. Er bietet eine Methodik, um die Zirkularität in Bauprojekten in Bezug auf die Materialmasse zu bewerten. Damit leistet er einen entscheidenden Beitrag, um den Gebäudepark Schweiz in einen nachhaltigen Materialpark zu transformieren.

Mit dem «LCC Leitfaden Planung der Lebenszykluskosten», dem «LCC Handbuch» und dem «LCC Anwendungsbeispiel» hat CRB 2011 erstmals drei Hilfsmittel zum Thema Lebenszykluskosten sowie zur Planung von Instandhaltung, Instandsetzung und Erneuerung von Immobilien publiziert. Die drei Handbücher stellen zusammen mit anderen renommierten Berechnungsprogrammen (z.B. dem IFMA-Tool) ein anerkanntes Instrument dar, um Bauwerkskosten über die gesamte Lebensdauer zu simulieren, und sind bei den Anwenderinnen und Anwendern entsprechend bewährt.  

Neues Berechnungstool

Die Ausgabe aus dem Jahr 2011 basiert in ihrer Gliederung der Bauwerkskosten noch auf dem damaligen Baukostenplan Hochbau eBKP-H (SN 506 511) von 2009. Dieser wurde 2020 ersetzt durch den überarbeiteten elementbasierten Baukostenplan Hochbau eBKP-H. Vor diesem Hintergrund besteht nun Handlungsbedarf, die aktuelle elementbasierte Struktur in die LCC-Produkte von CRB zu übernehmen. Eine Arbeitsgruppe externer Fachleute unter der Leitung von Claudio Jung, verantwortlicher CRB-Projektleiter LCC, überarbeitet derzeit diese drei Produkte. Nach Abschluss der Überarbeitung – voraussichtlich 2026 – werden sie zum ersten Mal zusammen mit einem Berechnungstool auf Deutsch, Französisch und Italienisch publiziert.  

Nachhaltigkeit berücksichtigen … 

«Aktuell ist das Interesse an Nachhaltigkeit und Betrachtungsweisen, die eine ganzheitliche Sicht auf objektive Gegebenheiten erlauben, sehr gross», betont Claudio Jung. Hohe Erstellungskosten zu Beginn des Lebenszyklus bedeuten nicht automatisch auch die höchsten Gesamtausgaben über die gesamte Nutzungsdauer. «Auf den LCC bezogen bedeutet das, dass wir beispielsweise Stellschrauben miteinbauen wollen, um diese Betrachtung auch phasengerecht auf der Bauteilebene anwenden zu können»,  erläutert er weiter. Nutzungsoptimierte Materialien könnten so bei der Auswahl bevorzugt werden.  

… und Defizite beseitigen 

Allerdings hat dies zur Folge, dass die ersten drei Stufen der normierten Gliederung aus dem eBKP-H –  Hauptgruppe,  Elementgruppe und  Elemente – um eine weitere Stufe, die zur LCC-Thematik sinngemäss passt, ergänzt werden müssen. «Das stellt uns zurzeit noch vor gewisse Herausforderungen», so Claudio Jung. «Mit dem neuen Berechnungstool sind wir bestrebt, den gesamten Erfahrungsschatz der im Steuerungsausschuss vertretenen und langjährigen Anwender-Institutionen wie KBOB, Amt für Hochbauten Stadt Zürich, armasuisse und weiteren zu nutzen, um bestehende Defizite innerhalb der verschiedenen, auf dem Markt befindlichen Berechnungsprogramme, zu beseitigen.» Ergänzend wird untersucht, ob die bisherigen Abgrenzungen zu Kostengliederungen oder auch Kostenarten erweitert werden müssen. 

Das Thema der Nachhaltigkeit spielt auch in diversen CRB-Weiterbildungsangeboten eine wichtige Rolle. «Einerseits ist es eine Tatsache, dass es kaum noch Lebensbereiche gibt, in denen Fragen rund um die Nachhaltigkeit nicht relevant sind», erklärt Irene Schuler Stäger, Leiterin Weiterbildung bei CRB. «Andererseits reagieren wir mit unserem Angebot auf die Bedürfnisse und Wünsche vieler Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer.» Im vierten Quartal 2024 bietet CRB verschiedene Weiterbildungskurse an, in denen Nachhaltigkeitsaspekte relevant sind, darunter:

Nachhaltig handeln im Bau- und Immobiliensektor
2-tätgiger Grundlagenkurs. Einführung in das gesunde und nachhaltige Bauen und die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. 25.10. & 01.11.2024.

Nachhaltigkeit in Ausschreibungen
Halbtägiger Kurs. Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien im Bauwesen anhand konkreter Beispiele. 05.11.2024.

Umweltbewusstsein in der Bauwirtschaft
Allgemeine Grundlagen der Umweltaspekte unter Berücksichtigung der Gesetze und Verordnungen sowie der relevanten Normen anhand von Praxisbeispielen. 04.12.2024.

 

💡Tipp: Eine Übersicht über alle aktuellen CRB-Weiterbildungskurse finden Sie hier

baubio.ch: Website des Fachverbands für gesundes und nachhaltiges Bauen und Leben. Informationen zu Baubiologie, Wohlbefinden, natürlichen Materialien und Kreisläufen.

cbcharta.ch: Schweizer Charta zum kreislauforientierten Bauen.

circularconstructioncatalyst.ch: Informationen zu den Projekten und Aktivitäten des Vereins «C33 – Schweizer Koordinationsstelle für das zirkuläre Bauen».

cirkla.ch: Verband aller Akteurinnen und Akteure der Wiederverwendung, der die praktische Umsetzung der Wiederverwendung im Bauwesen unterstützt. Online-Plattform mit diversen Tools.

ecobau.ch: Im Verein ecobau haben sich Bauämter von Bund, Kantonen und Städten zusammengeschlossen mit dem Zweck, das ökologische, kreislauffähige und gesunde Bauen breit zu verankern. ecobau stellt verschiedene Instrumente wie z. B. ecoDevis zur Verfügung.

oikos.ch: Auf der Website der Oikos & Partner GmbH finden sich unter anderem Checklisten, Themenblätter, Videos sowie je ein «A bis Z» zu nachhaltigem Bauen und zu Baubiologie.

wernersobek.com: Werner Sobek ist einer der Initiatoren der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Auf seiner Website findet sich eine Fülle an Informationen und Überlegungen, darunter die «17 Thesen zur Nachhaltigkeit».