werk-material.online: Kennwerte für alle Planungsphasen

Die Web-Applikation werk-material.online bietet Kennwerte und Vergleichsprojekte für alle Planungsphasen nach Norm SIA 112 «Modell Bauplanung». Am Beispiel eines Mehrfamilienhauses werden die verschiedenen Anwendungsfälle durchgespielt.
27.09.2024 | Sebastian Schock

werk-material.online unterstützt die Planenden entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Bauobjekts. Doch wie muss man sich das genau vorstellen? Im Folgenden wird die Anwendung anhand eines konkreten Beispiels von der Projektinitialisierung bis zur Bewirtschaftung durchgespielt. Als Beispielobjekt dient ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen, das 1’000 Quadratmeter Geschossfläche für Wohnen umfasst und 600 Quadratmeter Geschossfläche für die Tiefgarage. Es gibt ein Untergeschoss, ein Erdgeschoss, zwei Obergeschosse und ein Attikageschoss.

0 – Initialisierung: Kennwerte finden und Honorare begründen

In einem Architekturbüro klingelt das Telefon und die Stimme am anderen Ende fragt: «Ich möchte ein Mehrfamilienhaus bauen. Was kostet das?» Ein klassischer Anwendungsfall für werk-material.online. Beim Abstimmungstermin mit dem Interessenten gilt es zunächst die Eckdaten für das zukünftige Projekt zu ermitteln: Wie viel Wohnraum wird es geben? Welche Qualitätsmassstäbe bezüglich technischer und architektonischer Kriterien sollen gelten? Und mit Blick auf die Kosten: Wie hoch ist die «erste Zahl»? Anhand einer umfangreichen Sammlung von mehr als 1ʼ000 qualitativ hochwertigen, von «werk, bauen + wohnen» kuratierten und geprüften Bauprojekten aus der Schweiz kann mit werk-material.online diese «erste Zahl» – Was wird ein Projekt kosten? – bestimmt werden.

Dazu dient das «Prinzip der Ähnlichkeit»: Je eher bestimmte Parameter der Vergleichsprojekte mit denen des geplanten Projekts übereinstimmen, desto eher stimmen auch die jeweiligen Preise überein. Die wichtigsten Parameter dabei sind Objektart, Objektgrösse und Realisierungszeitpunkt. Die Auswahl vergleichbarer Objekte wird durch Filtern nach den wesentlichen Kriterien eingegrenzt. Einzelne Projekte können unter Aspekten wie Projektparameter, Beschriebe, Kennwerte, Fläche und Volumen, Energieverbrauch und Nachhaltigkeitswerte betrachtet und verglichen werden. Auch Bildmaterial in Form von Plänen, Schnitten und Konstruktionsdetails ist enthalten. Wenn die Parameter den Erwartungen aus der Planung des eigenen Projekts ähnlich sind, kann das Objekt in einer Shortlist gespeichert werden. Anschliessend wird anhand dieser systematisch ausgewählten Projekte eine Argumentation anhand der Qualität entwickelt, um die Berechnung der «ersten Zahl» zu begründen. So sind am Ende beispielsweise vier Projekte auf der Shortlist, die den Projektangaben des Interessenten ähnlich sind und die «erste Zahl» transparent und nachvollziehbar machen.

Auf die gleiche Art können auch veranschlagte Honorare begründet werden: Die konkreten Beispiele realisierter Projekte zeigen dann etwa, dass ein Projekt teurer wird, je mehr Planer daran beteiligt sind, oder dass der Arbeitsumfang bei einer höheren Komplexität des Projekts zunimmt.

Eine häufig auftretende Herausforderung in frühen Planungsphasen ist, dass sich eine wichtige Fragestellung im Projekt ändert. Nachdem beispielsweise bereits eine «erste Zahl» anhand der initialen Angaben für das Projekt ermittelt wurde, ergänzt der Interessent im Beispiel die Anforderung mit der Auflage, das Gebäude zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Hier ist werk-material.online flexibel anwendbar: Die Referenzprojekte auf der Shortlist werden einfach an die neuen Anforderungen angepasst.

1 – Strategische Planung: Automatische Mengenermittlung aus dem 3D-Volumenmodell

Die ersten räumlichen Vorstellungen des Mehrfamilienhauses im vorliegenden Beispiel sind vorhanden und werden in einem Volumenmodell – also einem «digitalen Gipsmodell» mit modellierter Parzelle und einzelnen Geschossen mit darüberliegenden Geschossvolumen – visualisiert. Dieses Volumenmodell ermöglicht es, bereits in werk-material.online eine Kostenermittlung zu machen, die viel genauer ist als eine Quadrat- oder Kubikmeterschätzung, weil die architektonische Form des Gebäudes berücksichtigt werden kann. Hierzu wird die Datei mit dem Volumenmodell im CAD-Programm als IFC-File ausgegeben und in den in werk-material.online integrierten eBKP-H Kalkulator hochgeladen. Dieser ermittelt die Mengen dann automatisch aus dem Modell. Zusätzlich werden auch die Flächen und Volumen nach Norm SIA 416 gerechnet.

Mithilfe von Statistiken pro eBKP-H-Hauptgruppe können die Kennwerte bestimmt werden. Auf Basis der Datenbank kann der statistische Hintergrund dabei individuell ausgewählt werden. Abschliessend kann das Projekt gespeichert und für die Nachvollziehbarkeit als PDF-Datei exportiert werden.

2 – Vorstudien: Raumprogramm durch Vergleichsprojekte optimieren

Um das Raumprogramm zu optimieren – z. B. die Hauptnutzfläche im Vergleich zur Geschossfläche –, ist die Rolle von Formquotienten zu identifizieren. Daraus lässt sich eine wichtige Erkenntnis über die Effizienz der Planung ableiten, indem etwa die zweckbestimmte Nutzung mit der insgesamt genutzten Fläche verglichen wird. So können diese Daten zur präzisen Ausarbeitung des Raumprogramms herangezogen werden. Im Fall des Beispiel-Mehrfamilienhauses ist es essenziell, den Unterschied zwischen dem unter- und dem oberirdischen Teil der Geschossfläche zu berücksichtigen: Wie in der Praxis häufig anzutreffen, ist der unterirdische Teil eine Tiefgarage. Der oberirdische Teil sind die ausgebauten Wohnungen.

Entsprechend unterschiedlich ist der Quadratmeterpreis der Tiefgarage im Vergleich zu den Wohnflächen. In diesem Zusammenhang ist es möglich, die Vergleichsprojekte mit dem zu planenden Projekt durch eine Spezialanalyse innerhalb von werk-material.online ins Verhältnis zu setzen. Eine genauere Kalkulation ist möglich, nachdem Projekte mit ähnlichem Formquotienten ausgewählt werden.

3 – Projektierung: Projektvarianten durch qualitative und preisliche Vergleiche bewerten

In der nächsten SIA-Phase, der Projektierung, helfen Berechnungselemente auf Basis des elementbasierten Baukostenplans Hochbau eBKP-H, um detailliertere Lösungsvarianten in Bezug auf Preise und Qualität zu beurteilen. Ein Berechnungselement im vorliegenden Mehrfamilienhaus ist beispielsweise «eine 25 Zentimeter dicke Stahlbetonwand» – es handelt sich um ein theoretisches Element mit einer bestimmten Bezugsmenge, in diesem Fall 500 Quadratmeter insgesamt. Was braucht man, um diese Stahlbetonwand zu realisieren? Welche Arbeiten, Materialien und in welchen Mengen?

Dies ergibt dann die Rezeptur: Die wichtigsten kostentragenden NPK-Unterpositionen, 80 % des Berechnungselement-Preises, sind mit Mengenangabe und Einheitspreis gerechnet. Dazu kommen die restlichen 20%, die als «Sonstiges» zugerechnet werden. Dieser Preis des Berechnungselements, geteilt durch die Bezugsmenge, ergibt den Kennwert. So ist es möglich, Varianten qualitativ und preislich zu vergleichen. Die Preise werden vom Bundesamt für Statistik (BFS), einem der Kooperationspartner von werk-material.online, jeweils halbjährlich aktualisiert und sind pro Grossregion erhältlich.

4 – Ausschreibung: Detailarbeiten und Materialauswahl bewerten

Eine aktuelle Fragestellung bei der Ausschreibung des Bauprojekts kann sein, ob Aluminium- oder Kunststofffenster genutzt werden sollen: Hier helfen die NPK-Einheitspreise, diese Details anhand statistischer Preise zu beurteilen. Mithilfe der hinterlegten Ausschreibungen können die Varianten auf Basis der technischen Qualität und des Preises beurteilt werden. Der Einheitspreis einer NPK-Position bezieht sich auf eine konkrete Ausschreibung und Spezifikation. Der Preisangabe liegt eine statistische Auswertung der gleichen Offerten von mehreren Unternehmern aus der gleichen Region und Erhebungsperiode zugrunde. Der Preis basiert auf einer Bezugsmenge. Bei Bedarf einer genauen Analyse gibt es eine Referenz zum Kontext.

Das Ausschreibungsdokument ermöglicht Zugriff auf den Kontext der Preisangabe – für das vorliegende Beispiel sind Preisangaben bei der Realisierung eines Mehrfamilienhauses relevant. Dafür stehen 411 NPK-Unterpositionen (inklusive Varianten) von 45 Kapiteln mit 2’290 Einheitspreisen zur Verfügung, wobei die regionalen Unterschiede pro Grossregion berücksichtigt sind. Bei den Preisen handelt es sich um Nettopreise ohne Mehrwertsteuer, Rabatte sind berücksichtigt.

5 – Realisierung: Eigene Projekte dokumentieren und teilen

Mittlerweile wurde das Beispielprojekt realisiert. Wie kann das Gebäude nun dokumentiert werden, um eine Bibliothek von Projekten aufzubauen, aus denen für die Zukunft gelernt werden kann? In werk-material.online können die Nutzerinnen und Nutzer das Gebäude auf die gleiche Art und Weise dokumentieren wie alle in der Datenbank vorhandenen und zur Verfügung gestellten Projekte. Das Projekt ist dabei nur im privaten Bereich des jeweiligen Benutzerkontos sichtbar. Wer möchte, kann einzelne oder alle Projekte auch weiteren Nutzerinnen und Nutzern sichtbar machen oder zur Bearbeitung freigeben und diese Berechtigung jederzeit zurückziehen oder auf andere Anwendende übertragen.

Die eigenen Projekte können auch heruntergeladen werden, um diese mit Projekten aus der Datenbank oder weiteren eigenen Projekten zu vergleichen – oder um sie weiter zu bearbeiten.

Bei der Erfassung können ausserdem nach BKP dokumentierte Projekte automatisiert in die erste Ebene des eBKP-H überführt werden, in dem ein im CAD erstelltes Volumenmodell mittels eines IFC-Files in werk-material.online eingelesen wird. So erhält man wertvolle Kennwerte für neue Projekte. Bei einer ausreichend detaillierten BKP-Abrechnung – üblicherweise drei- oder vierstellig – erfolgt die Umschlüsselung fast automatisch: Mithilfe der Datenbank werden einzelne Lücken mit statistischen Werten geschlossen.

Mit Projektkenntnissen, vor allem über Bauweise und Materialisierung, kann der statistische Vorschlag jederzeit bei jedem Knoten angepasst werden. Mithilfe der Datenbank können die umgeschlüsselten Kennwerte im Prozess plausibilisiert werden. So ist es möglich, das «alte Wissen» aus dem ausführungsorientierten BKP in den elementorientierten eBKP-H zu überführen, und in frühen Planungsphasen neue Projekte mit immer mehr Datengrundlagen immer besser nach eBKP-H zu beurteilen, zu kalkulieren und zu entwickeln.

6 – Bewirtschaftung: Nachhaltigkeitsvergleiche anstellen

Das Mehrfamilienhaus aus dem Beispiel ist bereits seit über 30 Jahren in Betrieb. Inzwischen sind Heizungstechnik und Ausbau im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Wohnstandards veraltet, und es stellt sich folgende Frage: sanieren, umbauen oder abreissen und neu bauen? Diese Entscheidung wird durch ein Benchmarking basierend auf Energie- und Nachhaltigkeitskriterien erleichtert. werk-material.online bietet hier einen Einblick in die Daten und lässt Rückschlüsse darauf zu, in welchem Verhältnis etwa der geplante energetische Konsum zu den Finanzkennzahlen steht. Gleichzeitig kann dieser Indikator mit den hinterlegten Datenblättern im Detail plausibilisiert werden. Dort ist die entsprechende Qualität anhand der Zahlen beurteilbar. So werden in der Bewirtschaftung datenbasierte Entscheide unterstützt und die Immobilie kann weiterentwickelt werden.

Fazit

werk-material.online ist entlang sämtlicher Phasen der Norm SIA 112, von der strategischen Planung über Vorstudien, Projektierung und Ausschreibung bis zur Realisierung und Bewirtschaftung, bei unterschiedlichen Anwendungsfällen eine grosse Hilfe und unterstützt die Planenden dabei, Entscheide zu treffen und transparent und nachvollziehbar zu begründen.

 

CRB-Community rund um werk-material.online

CRB baut eine stetig wachsende Community auf, um den Wissenstransfer rund um die Kennwerte-Plattform werk-material.online zwischen den Anwenderinnen und Anwendern sicherzustellen.

Jeweils am Mittwoch zwischen 10:30 und 11:30 Uhr finden Online-Fragestunden mit Projektleiter György Orbán statt.