Wenn Daten das Öl sind, mit dem die heutige Welt geschmiert wird, so sind die Gebäudedaten in werk-material.online eine Referenz dafür. Damit die Anwender aus den Zahlen und Kennwerten verlässliche Rückschlüsse auf das eigene Projekt ziehen können, müssen sie sich mit dem Rohstoff, dem «werk-material», auseinandersetzen. Wie das geht und welche Weiterentwicklungen geplant sind, erläutert der folgende Beitrag.
Dr. Urs Wiederkehr, Bauingenieur und Leiter des Fachbereichs «Digitale Prozesse» beim SIA
29.06.2023
Etwas Neues zu schaffen ist anspruchsvoll. Planer im Umfeld des Bauens kennen das bestens. Kaum ist der erste Entwurf oder die erste Skizze da, folgen auch schon die Fragen: Was kostet es? Können wir uns auf diese Zahl verlassen? Können Sie das garantieren? Langjährig im Markt verankerte Planungsbüros sind im Vorteil: Sie können auf ihren Erfahrungsschatz, eigene ausgewertete Objekte, zugreifen. Aber auch für alle anderen steht seit 2019 eine interessante Alternative bereit, welche die detaillierte Einsicht in Daten von über 1'000 verschiedenen Bauwerken ermöglicht: werk-material. online. Träger der Web-Applikation sind die Zeitschrift «werk, bauen + wohnen» sowie CRB. Als Kooperationspartner sind das Bundesamt für Statistik BFS und der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA dabei.
Das Lizenzieren von werk-material.online ist der erste Schritt für eine erfolgreiche Anwendung der hinterlegten Daten. Diese funktioniert aber nur, wenn mit dem «werk-material», wie der Name sagt, «gewerkt» wird – oder in anderen Worten: Wenn man sich mit diesem Datenrohstoff beschäftigt und ihn auf die eigenen Objekte differenziert anwendet.
Das «werk-material» ist seit 40 Jahren integraler Bestandteil von «werk, bauen + wohnen». Dank der Perforation der Datenblätter ist «werk-material» leicht herausnehmbar und für die Aufbewahrung geeignet. Jeden Monat folgen zwei weitere Datenblätter. Wer die publizierten Objekte über die Jahre verfolgt hat, erinnert sich bestimmt an das eine oder andere und könnte es in der Sammlung finden. Wer aber heute, 2023, alle 800 Datenblätter auf einmal in gedruckter Form erhält, wird verständlicherweise überfordert sein, den Überblick zu finden und ihn auch zu behalten. Hier ist die digitale Form als werk-material.online praktikabler und effizienter. In Anlehnung an das Buch «Unverfügbarkeit» des deutschen Soziologen Hartmut Rosa kann gesagt werden, dass «werk-material» in Papierform für die meisten Anwender unverfügbar ist, weil so kaum ein Überblick gewonnen werden kann. Erst die digitale Form, die dank einheitlicher Präsentationsstrukturen der Daten alles vergleichbar und auffindbar macht, führt dazu, dass diese wertvolle Unterstützungsquelle breit verfügbar wird.
Wie wäre eine Welt ohne Differenzen, also ohne Unterschiede zwischen den Dingen? Können Sie sich das vorstellen? Dieser Text wäre nicht lesbar, denn alles käme Farbton in Farbton daher. Aber auch Innovation, Verbesserung, überhaupt etwas Neues zu schaffen, wäre nicht möglich. Vergleichen wir Situationen in unserem Leben, dann basieren diverse Annehmlichkeiten gerade darauf, dass wir Unterscheidungen machen können, dass wir die unterschiedlichen Vorkommen voneinander trennen sowie nach differenzierten Kriterien bewerten und ordnen können. Seien es Sportwettkämpfe, Architekturwettbewerbe, Variantenvergleiche oder Verbesserungen in der Lebensqualität, ohne das Erkennen, Bewerten und Optimieren von Differenzen ginge das nicht.
Bei einem Bauprojekt ist der Planer am Anfang mit seiner Planungsaufgabe allein. Obwohl noch nicht bekannt ist, welche Ausprägungen das fertige Werk einmal haben wird, soll er bereits detaillierte Angaben machen können – zum Aussehen, zu verschiedenen Qualitäten und davon abhängig, insbesondere zu den Kosten. In der ersten genannten Zahl stecken einige Tücken, nicht umsonst spricht man vom «Fluch der ersten Zahl». Auf diese Zahl wird bestanden, sie ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen, obwohl sie vielleicht ohne Rückversicherung genannt oder vom Gegenüber erhascht worden ist. Eventuell hat auch Zeitdruck geherrscht oder die Planung war noch mit grossen Unsicherheiten behaftet. Am einfachsten wäre in diesem Fall, hundertprozentig auf etwas Bestehendem und Bewährtem basieren zu können, dieses zu kopieren und der Bauherrschaft anzubieten. Verschiedene Gründe sprechen gegen diese Vorgehensweise, nicht nur rechtliche (Urheberrecht), auch das Vermeiden einer eintönig gebauten (Um-) Welt oder ganz persönliche, wie etwas aus der eigenen Kreativität zu schaffen. Das konsequente Nachverfolgen von Unterschieden ist das Geheimnis einer erfolgreichen Anwendung von werk-material.online. Zuerst müssen diese Unterschiede aber beschrieben bzw. erkennbar sein.
«Die Beschreibung der Welt ist nicht die Welt selbst – das ist eine Banalität, aber sie hat erhebliche Folgen», meint der deutsche Soziologe Armin Nassehi in seinem Buch «Unbehagen – Theorie der überforderten Gesellschaft». Zudem sei uns «… die Welt nur über Beschreibungen zugänglich, über ihre zeichenhafte Verdoppelung, …». Was beim Schreiben gilt, gilt selbstverständlich auch beim Sprechen: «Das Problem des Sprechens besteht darin, dass immer auch anders gesprochen werden kann …» und «… es kann nicht alles bezeichnet werden, schon gar nicht gleichzeitig». Tritt diese Herausforderung schon beim Beschreiben der bestehenden Welt auf, akzentuiert sich das beim Beschreiben einer zukünftigen Welt, also der geplanten, bebauten Umwelt, erst recht oder bei der Umsetzung der SIA-Vision: «Gemeinsam wirkungsvoll für einen nachhaltig gestalteten Lebensraum». Alle Planenden bewegen sich von der Grundkonstellation aus in diesem Bereich. Ein Plan ist immer eine Vorstellung eines bestimmten Vorhabens, das verwirklicht werden soll, meint der Duden. Dabei kann sich der Plan immer wieder ändern und man nähert sich in auf Zwischenresultaten aufbauenden sich wiederholenden Schritten, also iterativ, dem endgültigen Resultat.
Zurzeit werden verschiedene Überlegungen angestellt, wie das Werkzeug erweitert werden könnte:
werk-material.online ist ein umfassendes Werkzeug, um Zahlen und Kennwerte von diversen Objektarten zu erhalten. Die Anwendung ist ein abwechslungsweises Erkennen, Analysieren und sorgfältiges Abwägen von Unterschieden zwischen den Referenzobjekten und dem eigenen Objekt. Mit der zielgerichteten Anwendung liegt am Schluss ein Beleg vor, also ein nachverfolgbarer Nachweis der gemachten Aussagen. Ob ein festgestellter Unterschied auch beim eigenen Objekt entscheidend für die Kostenwahrheit ist, muss jeweils kontrolliert werden. Damit lässt sich die Wahl der Kennwerte gegenüber dem Auftraggeber und den anderen Stakeholdern begründen. Die absolute Zahlensicherheit liefert auch werkmaterial. online nicht. Es gibt aber eine Leitlinie vor und schränkt wie eine Leitplanke die möglichen Werte ein. Diese Referenz zur Best Practice wirkt vertrauensbildend. Sie basiert auf dem, was andere tun und ermöglicht eine Rückverfolgung der Daten bis zu ihrer Quelle. Das fördert die Diskussion und ermöglicht Verbesserungen. Auf jeden Fall lohnt es sich, mit dem Einsatz von werk-material.online zu starten. Wie bei allen interaktiven Tools wird die Anwendungssicherheit mit jeder Nutzung gestärkt, sodass es beim nächsten Mal leichter geht. Nur durch wiederholtes Anwenden und damit praxisbezogenem Lernen kann der Expertenstatus erreicht werden.
Es ist geplant, die Vorstellung von werk-material.online fortzusetzen.